Übungen – Rangeln

Die nachfolgende körperliche Übung kann für Beziehungspartner*innen hilfreich sein, um einen anderen Umgang mit Spannungen und Konflikten zu erlernen. Wie Kinder, die sich balgen und rumtoben, wenn sie aufeinander wütend sind und noch keine Sprache haben, um ihre Gefühle verbal auszudrücken.

Anstatt sich verbal zu streiten, was häufig eine verletzende und trennende Wirkung hat, können die aufgestauten Gefühle in Bewegung gebracht werden, ohne dass die Beziehung dabei abgebrochen wird.

Es geht beim Rangeln um ein spielerisches Kämpfen. Da es nicht das Ziel ist, zu obsiegen, können auch unterschiedlich kräftige Personen diese Übung miteinander machen.  Die Übung erfordert Bewusstheit, damit niemand körperlich verletzt wird. Druck kann abgebaut werden, Widerstände können ausagiert werden und das was zwischen zwei Personen blockiert ist, kann wieder ins Fließen gebracht werden. Wut und Aggressionen können sich einlösen und es entsteht eine Verbindung, keine Trennung.

Diese Übung kann eine sehr öffnende Wirkung haben. Sind die „groben Gefühle“ wie Wut und Aggression, Druck usw. abgebaut, zeigen sich dahinter häufig Gefühlsschichten, die feiner und zarter sind. Beispielsweise Trauer, Schmerz, aber auch Zuneigung und Liebe.

Es ist hilfreich für Beziehungspartner*innen, das Rangeln zu üben, bevor sie in ein Streitmuster rutschen, um sich daran zu gewöhnen, anstatt miteinander verbal zu streiten, ins Rangeln überzugehen.

Nicht zu empfehlen ist die Übung, wenn Personen wenig Selbstkontrolle haben und wenn ein Risiko zu gewaltvollen Handlungen besteht. Ebenso für Personen mit Gewalterfahrung und mit Trauma im Hintergrund können bei der Übung schmerzhafte Erinnerungen auftauchen und starke Gefühle geweckt werden. Hierfür ist therapeutische Begleitung notwendig.

Anleitung:

Sie sollen genug Bewegungsfreiheit haben und alles aus dem Weg räumen, an dem Sie sich verletzten können, oder was kaputt gehen kann.

Sie stellen sich voreinander, schließen einen Moment die Augen und gehen mit sich selbst in Kontakt. Verbinden Sie sich mit ihrer Atmung und spüren Sie in die Gefühle hinein, die gerade da sind. Nach ein paar Atemzügen öffnen Sie die Augen und gehen über die Augen mit Ihrem Gegenüber in Kontakt.

Nun stellen Sie sich so hin, dass Sie gut Stehen und nicht so schnell ins Schwanken kommen. Hilfreich ist, ein Fuß vorne und ein Fuß hinten zu positionieren. Dabei drücken Sie Ihre Füße kräftig in den Boden, um sich so zu erden und mit dem Boden zu verbinden. Als ob die Füße Wurzeln hätten.

Nun können Sie Ihre Arme in Brusthöhe ausstrecken und die Handflächen aufeinanderlegen. Über die Hände können Sie und Druck in diesen Kontakt geben und langsam anfangen Ihr Gegenüber wegzuschieben. Es ist ebenso möglich, die Hände auf die Schultern Ihres Gegenübers zu legen und dort anfangen zu drücken und zu schieben. Geben Sie Kraft in diesen Kontakt, in das Schieben und das Drücken, so als ob Ihre aufgestauten Gefühle in den Kontakt fließen könnten. Geben Sie zwischendurch immer wieder auch nach und spüren Sie wie es ist, selbst weggedrückt und geschoben zu werden, so dass zwischen Ihnen ein Wechselspiel von Kraft aufbauen und weich werden, Nachgeben entsteht.

Es ist ein gemeinsames Ausagieren, bei dem Grenzen ausgelotet, jedoch nicht übergangen werden dürfen.

Beim Rangeln kann der ganze Körper eingesetzt werden. Häufig tun die Arme nach einiger Zeit des Drückens und Schiebens weh und so können die Partner*innen sich auch seitlich stellen und mit den Körperseiten das Rangeln fortsetzen, über die Schultern, den Kopf usw.

Eine weitere Variante um Spannungen abzubauen ist, dass eine Person die andere festhält und die Person, welche festgehalten wird, versucht sich aus der Umklammerung zu befreien.

Es kann den Prozess vertiefen, wenn die Stimme eingesetzt wird, mit allen Lauten und Geräuschen, die zu dieser Übung passen, wie Knurren, Fauchen, Schreien…

Auch Pausen sind erlaubt, zum Verschnaufen, oder um kurz Innezuhalten und zu Spüren. Die Atmung hält die Personen mit Ihren Emotionen verbunden und es ist hilfreich, immer wieder den Fokus auf eine tiefe Atmung zu lenken.

Selbstverständlich sind alle verletzenden Handlungen, Boxen, Kratzen, an den Haaren ziehen, oder absichtliche ruckartige Bewegungen, um das Gegenüber zu verunsichern, unerwünscht.

Das Rangeln kann solange dauern, bis die Kräfte nachlassen, eine Person erschöpft ist, oder die Wut sich in andere Gefühle gewandelt hat, die ein anderes Setting brauchen. Am Ende kann es also stimmig sein, nebeneinander zu liegen und sich zu halten oder sich als versöhnende Geste die Hand zu reichen.

Eventuell fühlt es sich nach der Übung zwischen den Personen friedlich und still an, dann kann ein verbaler Austausch eher störend sein. Ist das Bedürfnis nach Austausch da, dann sollte der Fokus auf dem eigenen Erleben liegen.

© Bettina Uzler ‐ Praxis für beziehungsdynamische Sexualtherapie ‐ Juni 2021

Den Text zu dieser Übung als PDF (ca. 148KB) finden Sie hier zum Download.